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Das Phänomen „Germany’s Next Topmodel“

EAM || Sabine Jörk, EAM-Vorsitzende

Seit 15 Jahren laufen sie auf den Privatsendern und gelten als Quotengaranten, auch wenn bereits bei einigen erste Ermüdungserscheinungen auf Seiten der Zuschauer zu verzeichnen sind: Castingshows aller Arten suchen nach neuen Musikstars, Models, Schauspielern, Mentalisten, Comedians usw. Dabei sind sie keine Erfindung des Privatfernsehens, sondern beglückten schon in den 1950er und 1960er Jahren auf den öffentlich-rechtlichen Sendern die Zuschauer. 1957 strahlte die ARD „Toi, Toi, Toi – der erste Schritt ins Rampenlicht“ mit Peter Frankenfeld aus. Im Unterschied zu heute aber standen damals die künstlerischen Darbietungen im Vordergrund und nicht der Selektionsprozess der Kandidaten und Kandidatinnen.

Als Mütter der modernen Castingshows gelten „Popstars“ – ausgestrahlt erstmals 2000 bei RTL 2 – und die immer noch bei RTL vertretene Kultshow „Deutschland sucht den Superstar“ (erstmals 2002) mit Dieter Bohlen als Zuschauermagnet.

2006 folgte dann „Germany’s Next Topmodel“ mit Heidi Klum, ein regelrechter Hype bei jungen Mädchen und Frauen. Die Sendung basiert auf dem amerikanischen Vorbild „America’s Next Top Model“ mit Tyra Banks. Mütter und Töchter verfolgen oft gemeinsam und emotional involviert das Schicksal der Kandidatinnen auf dem Bildschirm. Auch wenn die Quoten der letzten Staffel nicht wirklich berauschend waren und Heidi Klum künftig alleine die Mädchen „coachen“ muss, hält der Sender an dem bewährten Konzept fest.

Was aber gefällt jungen Mädchen und Frauen so gut an „Germany’s Next Topmodel“? Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beschäftigt sich schon seit vielen Jahren wissenschaftlich mit diesem Format und fand bereits 2010 in einer Studie heraus, dass „schöne Menschen zu sehen“ ein zentrales Motiv für junge Mädchen ist, die Sendung zu sehen. Des Weiteren nannten die Mädchen folgende Motive: „Die Fotos der Mädchen sind so schön“, „mitfreuen, wenn es die Lieblingskandidatin besonders gut gemacht hat“, „zu verfolgen, wie aus ganz normalen Mädchen Models werden“, „zu wissen, ob man mit der eigenen Einschätzung richtig liegt“ und „weil die Sendung auch aufregende Städte, Orte und Locations zeigt“ (Quelle: TELEVIZION 23/2010/1).

Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ greifen den pubertären Traum, einmal ein Star bzw. Model, also berühmt zu werden, auf und zeigen scheinbar die Verwirklichung des Traums. Dabei sind die Grenzen zwischen Fiktion und Realität fließend, die Geschichte von Aufstieg und Fall ist perfekt inszeniert, inwieweit eine Kandidatin tatsächlich authentisch ist, ist für die Zuschauer nicht nachvollziehbar. Bereits in der Vorauswahl der Kandidatinnen durch den Sender wird gezielt nach unterschiedlichen Typen gesucht, die möglichst viele Zuschauerinnen ansprechen: die Zicke, die Dominante, das Girlie usw. Schließlich sollen sich die Mädchen mit den Kandidatinnen identifizieren können oder zumindest über die eine oder andere ablästern können. Die Kandidatinnen sind in einem ähnlichen Alter wie ihre Zuschauerinnen, sie geben alles für das eine Ziel, Model zu werden. Auf dem Weg dahin müssen sie sich viel Kritik unterziehen und sie müssen außergewöhnliche Situationen perfekt meistern unter der ständigen Kontrolle einer sogenannten „Fachjury“, die über das Fortkommen entscheidet. Dabei passt das sendungsimanente Wertekonzept zum Wertekonzept der heutigen jungen Mädchen, nur wer sich anpasst, fleißig lernt und möglichst nicht rebelliert, ist erfolgreich – zumindest in der Ausbildung.

Mädchen lernen aus der Sendung, wie man sich perfekt selbstinszeniert, wie man professionelle Fotos von sich selber machen kann, wie man sich am besten schminkt und kleidet, aber auch wie man sich „richtig“ verhält, um vorwärts zu kommen und den eigenen Traum zu verwirklichen. Sie lernen aber auch ein Schönheitsideal kennen, das noch viel höhere Ansprüche an ihren eigenen Körper stellt als das aktuell gesellschaftlich definierte Schönheitsideal, nämlich das der Modeindustrie. Dies war von Anfang an ein heftiger Kritikpunkt an der Sendung, Pro Sieben reagierte, indem Heidi Klum und die angehenden Models hin und wieder Fast Food zu Essen bekamen. Dennoch zeigte eine Untersuchung des IZI aus dem Jahre 2010, dass die Sendung keine „Verdünnung“ des Schönheitsempfindens bei den Zuschauerinnen generierte, sondern einen geschulten Blick für die professionelle Inszenierung evoziere (Quelle: TELEVIZION 23/2010/1).

Für Schlagzeilen und Diskussion sorgte im Frühjahr dieses Jahres eine neue Studie des IZI in Kooperation mit dem Bundesfachverband Essstörungen e.V. zur Rolle von „Germany’s Next Topmodel“ und anderen Fernsehsendungen bei psychosomatischen Essstörungen. In dieser Untersuchung wurden 241 Menschen, vorwiegend Mädchen und junge Frauen (96 %) und 10 junge Männer befragt, die sich wegen einer Essstörung in therapeutischer Behandlung befinden. Die Befragung erfolgte anonym per Fragebogen mit meist offener Fragestellung. Dabei lautete die zentrale Fragestellung der Untersuchung, ob und welche Fernsehsendung einen Einfluss auf die Krankheit gehabt haben bzw. noch immer haben.

Obwohl drei Viertel der Befragten angaben, dass sie eine bestimmte Sendung beeinflusst habe, war die Sendung jedoch nicht Auslöser der Erkrankung, sondern kann als Verstärker des Ideals von dünn sein und den damit verbundenen krankmachenden Gedanken gesehen werden. Die Befragten hatten das Schönheitsideal und die mit der Erreichung verbundene extreme Körperbeherrschung als Handlungsmaxime bereits internalisiert. Die Essstörung ist hier handlungsleitendes Motiv für die Rezeption der Sendung. Man holt sich hier Motivation, Anerkennung und Bestätigung für das eigene Handeln, aber auch Tipps und Anleitungen für restriktives Essen.

Schade, dass in dieser Studie nur Erkrankte befragt wurden und es keine Vergleichsgruppe mit Gesunden gibt. Schließlich haben andere Untersuchungen gezeigt, dass viele Zuschauerinnen sich mit der Sendung einfach gut amüsieren, mit fiebern, mit freuen, mit leiden und ganz wichtig sich ablästern. Auch die Aussagen der Wirksamkeit basieren allein auf den Interpretationen der Wissenschaftlerin und wurden nicht überprüft. Dennoch ist es eine wichtige Studie, die zeigt, dass es Zeit ist, über den kollektiven Schlankheitswahn unserer Gesellschaft nachzudenken.

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Studie des IZI in Kooperation mit dem Bundesfachverband Essstörungen e.V.

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